• Auftakt

Körperschaften und die Nutzung ihres Waldes

Abb 1 Der Stadtrat von Zürich auf einer Rundfahrt mit der Waldeisenbahn im Sihlwald um 1900.
Abb 1 Der Stadtrat von Zürich auf einer Rundfahrt mit der Waldeisenbahn im Sihlwald um 1900.

Auftakt

David Walker1,*, Alexandra Müller2

1ask – agil systematisch kreativ GmbH (CH)
2 Berner Fachhochschule – Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften BFH-HAFL, Zollikofen (CH)

* Allerheiligenstrasse 13, CH-4614 Hägendorf, E-Mail david@ask-walker.ch

Das Waldeigentum in der Schweiz stellt im Vergleich zu den übrigen europäischen Ländern eine Ausnahme dar. In keinem anderen europäischen Land befindet sich so viel Wald im Eigentum von Körperschaften wie in der Schweiz. Körperschaften sind juristische Personen des öffentlichen oder privaten Rechts mit einer beschränkten Zweckbestimmung. Dabei handelt es sich unter anderen um politische Gemeinden, Bürgergemeinden, Korporationen, Stiftungen oder Alpgenossenschaften. Als besonderes Merkmal sehen sich die meisten Körperschaften bei der Nutzung ihres Waldes stärker dem Gemeinwohl verpflichtet als natürliche Personen (Abbildung 1).

Holzschnittartig können wir für die Schweizer Körperschaften mit Waldeigentum folgendes Bild zeichnen: Die Rechtsformen sind sehr vielfältig. Körperschaften sind hierarchisch organisiert. Die politisch-strategische Ebene setzt sich aus unterschiedlichen Gremien zusammen. Bürgerversammlung, Gemeinderat oder Forstkommission steuern die Geschicke der Körperschaft und die Nutzung des Waldes. Auf operativer Ebene spielt die Kleinteiligkeit des Schweizer Waldeigentums eine zentrale Rolle. Körperschaften führen selten allein einen Forstbetrieb. Häufig kooperieren sie mit anderen Waldeigentümerinnen und -eigentümern. Oder sie kaufen die für die Bewirtschaftung notwendigen Leistungen ein. Das Verhältnis zwischen strategischer und operativer Ebene ist geprägt von Informationsasymmetrien, Transaktionskosten und Vertrauen. Bei einem grossen Teil der Körperschaften ist der Wald ein unbedeutender Teil im Vermögensportfolio. Für viele sind heute die Erträge aus der Waldbewirtschaftung unerheblich oder negativ. Ein Teil der Körperschaften generiert bedeutende Erträge aus Steuern oder Abgaben (z.B. Baurechtszinsen, Konzessionen). Sie haben die Möglichkeit, die defizitäre Waldbewirtschaftung zu quersubventionieren. Viele Körperschaften sind mit dem Problem der Geringfügigkeit konfrontiert: Sie gewinnen durch eine effizientere Bewirtschaftung wenig. Umgekehrt verlieren sie wenig, wenn sie ihren Wald ineffizient bewirtschaften und Verluste schreiben.

Ausgehend von unseren Referaten und Diskussionen am 18. Waldökonomischen Seminar präsentieren wir nachfolgend sieben Beiträge, die das Wesen von Körperschaften beleuchten.

Im ersten Beitrag nähert sich Franz Xaver Muheim aus einer juristischen Perspektive den Körperschaften an und führt den zentralen Begriff der juristischen Person ein. Er zeigt auf, welche Bedeutung die Rechtsordnungen von Bund und Kantonen haben, um juristische Personen zu kategorisieren. Dabei geht er auf die Organisationsfreiheit, die Zweckbindung und die Zuordnung des Waldeigentums zum Vermögen ein.

Wie können Körperschaften gesteuert und geführt werden? Maximilian Haas liefert uns in seinem Beitrag eine Einführung in die Prinzipal-Agenten- und in die Stewardship-Theorie. Seine Ausführungen sollen uns helfen, die komplexen Zusammenhänge innerhalb einer Körperschaft einzuordnen und zu verstehen. Nur so kommen wir zu einer fundierten Analyse und letztlich einer besseren Ausgestaltung der Strukturen und Prozesse von Körperschaften.

In den vergangenen Jahren fanden verschiedene Befragungen von Waldeigentümerinnen und -eigentümern statt. David Walker fasst zusammen, welche Ziele Körperschaften bei der Nutzung ihres Waldes verfolgen und in welcher finanziellen Situation sie sich befinden. Er beschreibt auch die Herausforderung, Befragungen zum Waldeigentum durchzuführen.

Den Schwerpunkt runden vier kurze Beiträge zu Körperschaften und zur Förderung der Strukturentwicklung ab: Cécile Reichmuth und Reto Mohr geben einen Einblick, wie die Waldpflege durch Grün Stadt Zürich organisiert ist und welche Strategie verfolgt wird. In einer zweiten Fallstudie schildert Stefan Rechberger die Situation und die gegenwärtigen Tätigkeiten der Bürgergemeinde Pfyn im Kanton Thurgau. Die letzten beiden Beiträge zeigen auf, wie in den vergangenen Jahren die Entwicklung der betrieblichen Strukturen im Kanton Bern unterstützt wurden. Torben Claas führt aus, vor welchem Hintergrund und mit welchen Massnahmen das Amt für Wald und Naturgefahren (AWN) dabei tätig war. Andreas Bernasconi teilt mit uns seine Erkenntnisse aus der Beratung mehrerer Körperschaften, die ihre Strukturen weiterentwickelt haben.

Wir wünschen allen eine inspirierende Lektüre. Sich mit dem Waldeigentum in der Schweiz zu beschäftigen und Lösungen für dessen strukturelle Entwicklung zu finden, ist spannend und bleibt herausfordernd.

Waldökonomisches Seminar und waldökonomischer Wissenstransfer

Das 18. Waldökonomische Seminar mit dem Titel «Nutzung des Waldes von Körperschaften auf kommunaler Ebene» fand am 6. und 7. November 2023 im Schloss Münchenwiler statt. Am Seminar haben Personen aus Forschung und Praxis aus der Schweiz, Deutschland und Österreich referiert und teilgenommen.

Die Erkenntnisse aus dem Seminar wurden am waldökonomischen Wissenstransfer vom 6. Mai 2024 an der Berner Fachhochschule, Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (BFH-HAFL), Zollikofen, Personen aus der forstlichen Praxis weitergegeben. Unter dem Titel «Strategische Positionierung von Forstbetrieben vor dem Hintergrund der Gemeinwohlverpflichtung» standen Referate und Workshops auf dem Programm.

Literatur

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