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Bürgergemeinde Pfyn: ein wichtiger Teil der Gemeindeentwicklung

Abb 1 Die Gibelhütte steht seit den 1940er-Jahren im Wald der Bürgergemeinde Pfyn.
Abb 1 Die Gibelhütte steht seit den 1940er-Jahren im Wald der Bürgergemeinde Pfyn.

Notiz

Stefan Rechberger1, 2, *

1 Präsident Bürgergemeinde Pfyn (CH)
2 Kreisforstmeister Forstkreis 6, Amt für Landschaft und Natur, Abteilung Wald, Kanton Zürich (CH)

Die Bürgergemeinde Pfyn (TG) ist auf Erträge aus der Bewirtschaftung des Bürgerguts angewiesen. Anhand einiger Beispiele zeigt der Autor auf, wie die Bürgergemeinde ihren Besitz – insbesondere den Wald – nutzt und sich für das Gemeinwohl engagiert. Der Wald wird primär für die Holzproduktion bewirtschaftet, erbringt aber auch Erholungs- und Biodiversitätsleistungen. Der Autor betont, dass dieses Engagement nur möglich ist, wenn die Bürgergemeinde von Dritten für die Nutzung von Vermögensbeständen fair entschädigt wird.

* Weinbergstrasse 17, CH-8090 Zürich, E-Mail stefan.rechberger@bd.zh.ch

Die Gemeinde Pfyn (TG) liegt im Thurtal nordöstlich von Frauenfeld und erstreckt sich von der Thurebene (400 m ü.M.) bis auf das Plateau des Seerückens (550 m ü.M.). Aktuell leben hier rund 2200 Personen. Die Gemeinde umfasst eine Fläche von 1306 ha, wovon 347 ha mit Wald bestockt sind. Heute ist Pfyn insbesondere landwirtschaftlich und gewerblich geprägt. Sie gilt als attraktiver Wohnort im Grünen.

Geschichte der Bürgergemeinden im Thurgau

Die Geschichte der Bürgergemeinden im Kanton Thurgau geht zurück bis ins Frühmittelalter in die Zeit der Landnahme durch die Alemannen. Das in Besitz genommene Grundeigentum wurde genossenschaftlich verwaltet, und es entwickelten sich Nutzungsregeln für gemeinschaftliche und individuelle Nutzung. Aus dieser Zeit erhalten geblieben ist das freie Betretungsrecht des Waldes und das allen erlaubte Sammeln von Pilzen und Beeren. Mit der technischen Entwicklung und der zunehmenden Mobilität der Bevölkerung veränderten sich die Strukturen in den Dörfern. Es bildete sich zunehmend eine Zweiklassengesellschaft zwischen den im Dorf verbürgten Familien als «Alteingesessene» und «Neuzuzügern» oder «Ansassen» ohne politische Mitsprache und Nutzungsberechtigung am Gemeindegut.

Im Zuge der Französischen Revolution war diese Ungleichbehandlung nicht mehr haltbar. 1798 wurden Gemeinden gegründet, in denen die politische Mitsprache nicht mehr an das Ortsbürgerrecht, sondern an das neue helvetische Staatsbürgerrecht gebunden war. Im 19. Jahrhundert erfolgte der allmähliche Übergang vom Bürger- zum Einwohnerprinzip. Mit der Kantonsverfassung von 1849 übernahmen die Einwohnergemeinden viele öffentliche Aufgaben. Die Bürgergemeinden behielten ihren Besitz und erteilten weiterhin das Bürgerrecht sowie die Niederlassungsbewilligungen. 1871 mussten die Bürgergemeinden auf die bisherige Steuerhoheit verzichten, und es erfolgte eine Güterausscheidung. Alle öffentlichen Gemeindewerke wie Strassen oder Wasserversorgung gingen an die Einwohnergemeinden. Die meisten Bürgergemeinden behielten jedoch die damals wertvollen Waldungen und teilweise weitere Ländereien oder Liegenschaften. Ihnen blieb die Verwaltung des Bürgerguts und die Erteilung des Bürgerrechts. Letzteres wurde 1946 ebenfalls an die Einwohnergemeinde übertragen. Seither haben die Bürgergemeinden im Kanton Thurgau keine staatliche Funktion mehr und verwalten als öffentlich-rechtliche Korporationen lediglich das Bürgergut. In Pfyn betrieb die Bürgergemeinde noch bis in die 1980er-Jahre das lokale Stromnetz, bevor auch dieses durch die Einwohnergemeinde übernommen wurde. Im Verlauf der schrittweisen Transformation von Aufgaben lösten sich im Kanton Thurgau einige Bürgergemeinden mangels Vermögen oder Mitgliedern auf. In rund zwei Dritteln der Thurgauer Gemeinden gibt es noch aktive Bürgergemeinden.

Besitztümer und Zielsetzung

Die Bürgergemeinde Pfyn verwaltet 175 ha Wald, 70 ha Kulturland, ein Mehrfamilienhaus mit vier Wohnungen und zwei Waldhütten (Abbildung 1). Zudem besteht ein Baurechtsvertrag mit der politischen Gemeinde für den Sportplatz und ein Mietvertrag für eine Mobilfunkantenne.

Der Bürgergemeinde Pfyn ist es wichtig, das Bürgergut zu pflegen und zu erhalten. Der Wald soll Holz produzieren, einen attraktiven Erholungsraum für die Bevölkerung bieten und die Biodiversität fördern. Kulturland soll für die regionale Lebensmittelproduktion verpachtet werden. Die Bürgergemeinde will auch Traditionen pflegen sowie die Kultur und den Sport in der Gemeinde fördern.

Organisation der Bürgergemeinde

Rund 100 ortsansässige, stimmberechtigte Bürgerinnen und Bürger bilden das oberste Organ der Bürgergemeinde Pfyn. Die Bürgerverwaltung besteht aus fünf Personen, die für eine sehr bescheidene Entschädigung arbeiten. Die Verwaltungsmitglieder sehen ihre Aufgabe auch als Berufung und setzen sich aktiv dafür ein, das von den Vorfahren geerbte Bürgergut treuhänderisch zu verwalten und in einem gepflegten Zustand an die nachfolgende Generation weiterzugeben. Eine wichtige Herausforderung für die Zukunft bleibt die Besetzung der Verwaltung mit engagierten und kompetenten Personen. Voraussetzung dafür ist eine breite Mitgliederbasis. Da junge Bürgerinnen und Bürger für die berufliche Entwicklung oft den Wohnort verlassen und später nicht nach Pfyn zurückkehren, sind auch Neumitglieder willkommen, die sich mit dem Dorf verbunden fühlen und sich aktiv am Dorfleben beteiligen. Nach dem Erwerb des Gemeindebürgerrechts und nach Bezahlung der Einkaufstaxe (500–1000 Franken) werden neue Anteilhaber in die Bürgergemeinde aufgenommen.

Die Bürgergemeinde Pfyn pflegt einen konstruktiven Dialog mit der politischen Gemeinde. Sie beteiligt sich an Entwicklungsprojekten im Dorf. Vor 15 Jahren ermöglichte sie den Bau eines Sportplatzes auf ihrem Land. Durch den Baurechtsvertrag ergeben sich für sie Einnahmen. Und die politische Gemeinde kann eine attraktive Sport- und Freizeitinfrastruktur für Vereine und Bevölkerung zur Verfügung stellen. Einnahmen aus dem Baurechtszins verwendet die Bürgergemeinde für einen jährlichen Beitrag an die Kultur- und Sportförderung. Dieser wird im Budget und in der Rechnung der politischen Gemeinde ausgewiesen. So sind die Leistungen der Bürgergemeinde für die Bevölkerung sichtbar. Beim Projekt für eine neue Mehrzweckhalle setzte sich die Bürgergemeinde erfolgreich für einen Holzbau mit Holz aus dem Pfyner Wald ein. Dieses wurde zu einem marktgerechten Preis zur Verfügung gestellt. Ein Teil des Holzerlöses hat die Bürgergemeinde dann als Sponsoringbeitrag an die Mehrzweckhalle gesprochen. Vor vier Jahren lancierte sie die Initiative, im Dorf einen Wärmeverbund mit Holzschnitzelheizung zu prüfen. Sie war anschliessend federführend bei der Realisierung des Projekts und beteiligt sich an der Finanzierung des Wärmeverbunds, der 2024 in Betrieb ging.

Waldbewirtschaftung und waldbauliche Strategie

Der jährliche Umsatz der Bürgergemeinde beläuft sich auf rund 300 000 Franken (Tabelle 1). Etwa die Hälfte wird mit der Waldbewirtschaftung generiert. Die andere Hälfte verteilt sich auf Pachteinnahmen des Landwirtschaftslandes, Liegenschaftsertrag und Baurechtszinsen. Jährlich wird den Anteilhabern ein Bürgernutzen von 250 Franken ausbezahlt. Die Auszahlung erfolgt an der jährlichen Bürgergemeindeversammlung Ende Februar in bar, was eine hohe Stimmbeteiligung garantiert.

Tab 1 Planbudget der Bürgergemeinde Pfyn (in 1000 Franken)

Die Waldfläche der Bürgergemeinde Pfyn von 175 ha verteilt sich auf verschiedene Waldkomplexe, ist mehrheitlich gut arrondiert und zu 80 bis 90 Prozent befahrbar. Vorherrschend sind wüchsige Buchenwälder. Ehemalige Auenwälder nehmen einen bedeutenden Flächenanteil ein. 16 ha liegen im Perimeter des nationalen Auenschutzgebietes Wyden. Hier besteht seit 2002 eine Schutzverordnung mit je einem Drittel als Totalwaldreservat, als lichtem Wald und als naturnahem Wirtschaftswald. Standortfremde Fichtenbestände werden sukzessive entfernt. Die Nutzungseinschränkung wird jährlich mit rund 250 Franken pro ha entschädigt. Diesen Einschränkungen stimmt die Bürgergemeinde Pfyn zukünftig nur zu, falls die Entschädigung für die erwünschte Biodiversitätsleistung den auf der Fläche möglichen Holzertrag deutlich übersteigt.

Der Nadelholzanteil am Vorrat ist sehr hoch und seit 2005 von 64 auf 57 Prozent gesunken. Obwohl der Fichten- und Föhrenanteil zukünftig sinken wird, möchte die Bürgergemeinde weiterhin einen ansehnlichen Anteil Nadelholz erhalten. Dabei setzt sie insbesondere auf die Weisstanne aus Naturverjüngung. Wo Mutterbäume vorhanden sind, etabliert sich die Tanne nach Durchforstungen in der Regel problemlos ohne Schutzmassnahmen. Es wird versucht, fast ausschliesslich mit Naturverjüngung zu arbeiten. Pflanzungen erfolgen nur punktuell, um die Mischung anzureichern und Samenbäume für die nächste Generation anzustreben. Der Fokus bei der Holzernte richtet sich auf eine schonende Durchforstung der Bestände. Dabei sollen zukunftsfähige, stabile Bäume gefördert werden. Als Nebeneffekt stellt sich mittelfristig eine Unterschicht ein, die bei einer allfälligen Kalamität die Wiederbewaldung ohne grössere Pflegeaufwendungen garantiert.

Der jährliche Hiebsatz betrug bisher 1500 Tariffestmeter (Tfm) pro Jahr. Auf Anweisung des Kantons soll dieser auf 1400 Tfm pro Jahr reduziert werden. Diese Senkung verzögert den angestrebten Waldumbau. Der zukünftige Wald wird stärker von Laubbaumarten geprägt sein und damit auch einen insgesamt tieferen Vorrat aufweisen. Eine regelmässige Durchforstung ist wichtig, damit zukunftsfähige Baumarten vitale, grosse Kronen ausbilden können und sich zu Stabilitätsträgern entwickeln. Wenn der Hiebsatz bereits durch Zwangsnutzungen von Fichtenbeständen mehrheitlich erfüllt ist, fehlt der waldbauliche Handlungsspielraum für Durchforstungen als Investitionen in die Zukunft. Es besteht das Risiko, dass der Waldumbau nicht aktiv gelenkt werden kann, sondern vermehrt durch Naturereignisse diktiert wird. Diesbezüglich wünschen wir uns vom Kanton etwas mehr Flexibilität.

Die Bürgergemeinde Pfyn ist Teil des Forstreviers Müllheim mit einer Waldfläche von total 800 ha. Das kantonale Waldgesetz schreibt vor, dass alle Waldeigentümer im Revier obligatorisch Mitglieder dieser öffentlich-rechtlichen Revierkörperschaft sind, die den Revierförster oder die Revierförsterin anstellt. Die Kosten der Beförsterung werden durch den Kanton, die Gemeinden und die Waldeigentümer getragen. Letztere steuern rund einen Viertel an die Entschädigung des Revierförsters bei. Aktuell beträgt der Beförsterungsbeitrag pro Hektare Waldfläche 40 Franken pro Jahr. Die Bürgergemeinde Pfyn hat als grosse Waldeigentümerin Anspruch auf einen Sitz im Vorstand der Revierkörperschaft. Der Revierförster erbringt die gemeinwirtschaftlichen Leistungen nach kantonalem Waldgesetz. Dazu gehören unter anderem die Beratung und das Anzeichnen der Holzschläge. Auch die Organisation der Holzernte, das Holzmessen und der Holzverkauf sind im Revierbeitrag inbegriffen.

Die Bürgergemeinde Pfyn lässt ihre Holzschläge durch Forstunternehmer aus der Region und möglichst vollmechanisiert ausführen. Dabei wird eine langfristige, vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Forstunternehmern angestrebt. Abgerechnet wird in Regie mit einem Kostendach. Ziel ist, die Holzschläge möglichst zu bündeln und jeweils einen grossen Holzschlag mit rund 1000 m3 offerieren zu lassen. Die Auftragsvergabe erfolgt durch die Bürgerverwaltung. In den letzten Jahren lagen die gesamten Kosten für die Holzernte bei rund 40 Franken pro Kubikmeter. Kleinere, spontane Arbeiten führt ein Landwirt und Verwaltungsmitglied aus. Die Pflegarbeiten werden durch den Schreibenden als Freizeitbeschäftigung erledigt. Gepflegt wird dabei möglichst extensiv nach den Prinzipien der biologischen Rationalisierung. Der Aufwand beträgt weniger als eine Stunde pro Hektare und Jahr. Die Bürgergemeinde Pfyn gestaltet damit die Waldbewirtschaftung insgesamt sehr kostengünstig. Es resultiert ein deutlich positiver Deckungsbeitrag, um die Kosten für die Beförsterung, den Strassenunterhalt und die Verwaltung zu decken. Die Bürgergemeinde Pfyn besitzt zudem zwei Waldhütten, die an die ortsansässige Bevölkerung für Anlässe vermietet werden. Die Tarife sind so gestaltet, dass die Kosten für den laufenden Unterhalt und kleinere Reparaturen gedeckt sind. Erneuerungs- und Instandsetzungsarbeiten finanziert die Bürgergemeinde als kostenlose Dienstleistung für die Bevölkerung.

Fazit, Ausblick und Herausforderungen

Neben der Waldbewirtschaftung sind auch das Kulturland und der Ertrag aus den Liegenschaften verantwortlich für die in der Regel positiven Rechnungsabschlüsse. Diese sind Voraussetzung für die Auszahlung des Bürgernutzens sowie das Engagement in der Kultur- und Sportförderung. Als öffentlich-rechtliche Körperschaft ohne Steuerhoheit ist die Bürgergemeinde Pfyn auf die Erträge aus der Bewirtschaftung des Bürgerguts angewiesen, um ihren Fortbestand langfristig zu sichern. Diese Tatsache muss der Bevölkerung – aber auch verschiedenen Behörden – immer wieder in Erinnerung gerufen werden. Teilweise wird erwartet, dass die Bürgergemeinde ihren Besitz der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stellt – wenn beispielsweise ein Naturschutzgebiet ausgeschieden, die Thur renaturiert oder ein Reservat eingerichtet werden soll. Oft sind zwar bedeutende Mittel für Projektierung, Einrichtung und Unterhalt budgetiert, aber eine Abgeltung für den Grundeigentümer nicht vorgesehen. Hier braucht es eine aktive Vertretung der Interessen der Grundeigentümer. Deshalb ist auch die Öffentlichkeitsarbeit eine dauernde Aufgabe, um die Funktion und die Aktivitäten der Bürgergemeinde in der Gemeinde und der Bevölkerung zu erklären. Das Verständnis für die Geschichte und die Traditionen der Bürgergemeinde sowie deren Akzeptanz sind heute nicht mehr selbstverständlich. Die Bürgergemeinde Pfyn versucht als grösste Landeigentümerin der Gemeinde eine aktive Rolle einzunehmen und sich an der Gemeindeentwicklung zu beteiligen.

Literatur

  • Gemeindeverwaltung Pfyn (2024)

    Portrait Bürgergemeinde Pfyn.www.pfyn.ch(Zugriff: 8.7.2024)

  • Hux A (2007)

    Entwicklung der Bürgergemeinde im Thurgau. Referat Verband Thurgauer Bürgergemeinden

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