- Notizen
Ökologisch kohärente Baumartengruppen für die praxisnahe Forschung
01.11.2024
Der Schweizer Wald beherbergt zahlreiche Baumarten mit unterschiedlichen ökologischen Ansprüchen an Licht, Nährstoffen und Klima. In der empirischen Waldmodellierung werden ähnliche Baumarten oft gruppiert, weil zu wenige Beobachtungen vorliegen, um artspezifische Modelle für Einwuchs, Wachstum und Mortalität zu entwickeln. Wir präsentieren eine neue Baumartengruppierung, die ähnliche ökologische Ansprüche und deren Einfluss auf das Wachsen und Absterben berücksichtigt.
*Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, E-Mail golo.stadelmann@wsl.ch
Schweiz Z Forstwesen 175 (6): 312–313.https://doi.org/10.3188/szf.2024.0312
Das Landesforstinventar (LFI) erfasst den Schweizer Wald systematisch seit 1983 mit wiederkehrenden Inventuren. Dabei wurden bisher 57 verschiedene Baumarten (ohne Straucharten) aufgenommen, die unterschiedlich oft vorkommen. Ursprünglich wurden die 14 Nadel- und 43 Laubbaumarten in 12 Hauptbaumarten zusammengefasst (Abbildung 1), wobei seltenere Baumarten jeweils den übrigen Nadel- und Laubhölzern zugewiesen wurden (Brändli et al 2020). Einige Hauptbaumarten sind jedoch sehr heterogen, da die Eigenschaften und die ökologischen Ansprüche der zusammengefassten Arten nicht zusammenpassen.
In der empirischen Waldmodellierung sind Baumartengruppen essenziell, insbesondere wenn zu wenige Beobachtungen vorliegen, um artspezifische Modelle für Einwuchs, Wachstum und Mortalität zu entwickeln. Für möglichst plausible Vorhersagen ist es entscheidend, dass bei der Gruppierung der Baumarten deren ökologische Eigenschaften berücksichtigt werden. Die Eigenschaften der vorkommenden Baumarten sind wichtig, um die Zukunftsfähigkeit eines Waldbestandes zu bestimmen. Weil die Hauptbaumarten diese Bedingungen nicht für alle Gruppen erfüllen, wollen wir hier 19, nach ökologischen Kriterien kohärente Baumartengruppen präsentieren.
An einem Expertenworkshop haben wir alle bisher im LFI beobachteten Baumarten und solche, die entweder in der Forschung (testpflanzungen.ch) getestet oder in der TreeApp (www.tree-app.ch) als mögliche weitere Baumarten erwähnt werden, zu neuen ökologischen Baumartengruppen zusammengefasst. Die ursprünglichen 12 Hauptbaumarten des LFI wurden in ökologisch passende Baumartengruppen mit 9 Nadelholz- und 10 Laubholzgruppen gegliedert (Abbildung 1, Tabelle 1), wobei die Baumarten innerhalb einer Gruppe jeweils ähnliche Wachstums- und Absterbemuster zeigen. Häufige Baumarten, die schon bisher allein eine Gruppe bildeten, wurden beibehalten. Aus «Übrige Nadelhölzer» wurden die Gruppen «Zeder», «Douglasie» und «Eibe» abgespalten. Die gebietsfremde Baumart Zeder (siehe Kasten) wurde im LFI noch nicht beobachtet, könnte jedoch an tiefsten Lagen eine Alternative zu den restlichen Nadelhölzern werden, wenn die Bedingungen selbst für die Douglasie zu heiss und zu trocken werden.
Konsistenter, aber komplexer
Weil die Gruppe «Übrige Laubhölzer» besonders heterogen war, wurden die meisten Laubbaumarten neu gegliedert: Ahorn bildet neu eine Gruppe mit Linde, Esche wird mit Ulme und Schwarzerle ergänzt, und Eiche wird um weitere Eichenarten erweitert. Für langsam wachsende Laubhölzer wurden zwei neue Gruppen gebildet, die sich im Lichtbedarf unterscheiden. Die grösste neue Gruppe bilden die konkurrenzschwachen und eher kurzlebigen «Pionierlaubhölzer», die zuvor etwas mehr als die Hälfte der Gruppe «Übrige Laubhölzer» ausmachten. Kirsche und Nussbaum bilden zusammen ebenfalls eine neue Gruppe.
Diese neue ökologische Baumartengruppierung hat den Vorteil, dass damit konsistentere Wachstums- und Mortalitätsmodelle erstellt werden können, die für die eher seltenen Baumarten besser passen. Der Nachteil ist die höhere Komplexität und die etwas sperrige Nomenklatur. Für die reguläre Berichterstattung im LFI wird daher die ursprüngliche Hauptbaumartengruppierung beibehalten. Die neue ökologische Gruppierung kann jedoch verwendet werden, wenn artspezifische Unterschiede in Wachstum, Mortalität, bei Klimareaktionen und anderen ökologischen Zusammenhängen aufgezeigt werden sollen.
Gebietsfremde Art? Invasive Art? Gastbaumart?
Baumarten gelten als gebietsfremd, wenn sie durch menschliche Tätigkeiten in Lebensräume ausserhalb ihres natürlichen Verbreitungsgebietes eingebracht wurden (BAFU 2022). Wenn eine gebietsfremde Baumart durch ihre Ausbreitung in der Schweiz die biologische Vielfalt, die Ökosystemleistungen und deren nachhaltige Nutzung beeinträchtigen oder Mensch und Umwelt gefährden kann, wird sie als invasiv bezeichnet (BAFU 2022). Nicht invasive gebietsfremde Arten werden oft als Gastbaumarten bezeichnet. Es besteht keine offizielle Liste der einheimischen oder der gebietsfremden Baumarten. Zudem ist der Begriff gebietsfremd im Wandel. Mit der aktualisierten Freisetzungsverordnung (Art. 3 Abs. 1 Bst. f FrSV) werden europäische Baumarten (z.B. Schwarzföhre, Baumhasel) nicht mehr als gebietsfremd betrachtet, da sie natürlich einwandern könnten.
Literatur
Gebietsfremde Arten in der Schweiz. Übersicht über die gebietsfremden Arten und ihre Auswirkungen. Umwelt-Wissen Nr. 2220. 1. aktualisierte Auflage 2022. Erstausgabe 2006. Bern: Bundesamt für Umwelt. 62 p.
Schweizerisches Landesforstinventar. Ergebnisse der vierten Erhebung 2009–2017. Birmensdorf: Eidg. Forschungsanstalt WSL, Bern: Bundesamt für Umwelt. 341 p.