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Steuerung und Führung von Forstbetrieben: zwei Theorien für die Praxis
20.12.2024
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Abstract
Die Bewirtschaftung von Wäldern ist eine komplexe Aufgabe, die durch eine Vielzahl von Akteuren erfolgt. Unterschiedliche Interessen sowie Informationsasymmetrien führen dabei häufig zu Herausforderungen in der Zusammenarbeit, die ressourcenintensive Verhandlungen und Beeinträchtigungen der Effizienz verursachen. Theorien können in diesem Kontext helfen, die komplexen Sachverhalte zu ordnen, die Beziehungen zu erklären und konkrete Empfehlungen für die Zusammenarbeit abzuleiten. Im vorliegenden Beitrag werden mit der Prinzipal-Agent-Theorie und der Stewardship-Theorie bedeutende Theoriestränge vorgestellt sowie konkrete Massnahmen präsentiert, die bei der Zusammenarbeit in der Forstwirtschaft zur Anwendung kommen können.
Keywords: forest management, theory, information asymmetry, cooperation
* Am Fallenbrunnen 3, D-88045 Friedrichshafen, E-Mail maximilian.haas@zu.de
Die Bewirtschaftung von Wäldern ist eine komplexe Aufgabe, auf die zahlreiche Akteure Einfluss nehmen. Massgeblich sind hier die Waldeigentümer, deren Forstbetriebe und die Forstfachpersonen zu nennen, aber auch die Politik, die Verwaltung, Anspruchsgruppen sowie Forst-, Holzverarbeitungs- und Energieversorgungsunternehmen.
Mit dieser Ausgangslage geht eine Reihe von Herausforderungen einher, die sich vielfach auf die unterschiedlichen Interessen und eine ungleiche Verteilung von Informationen zurückführen lassen. Als Beispiel seien hier etwa Konflikte zwischen politischen und ökonomischen Zielen anzuführen oder Entscheidungen, die auf der Basis unvollständiger Informationen getroffen werden müssen. Die Folge sind ressourcenintensive Verhandlungen zwischen den unterschiedlichen Akteuren oder auch Beeinträchtigungen der Effizienz. Theorien können in diesem Kontext helfen, komplexe Sachverhalte zu ordnen, Beziehungen zu erklären und konkrete Empfehlungen für die Gestaltung der Zusammenarbeit abzuleiten. Dennoch wird mit der Anwendung von Theorien vielfach etwas Abstraktes oder schwer Verständliches verbunden und vor ihrer Anwendung zurückgeschreckt.
Mit dem vorliegenden Beitrag sollen theoretische Perspektiven vorgestellt werden, die helfen, komplexe Zusammenhänge einzuordnen und zu verstehen sowie Strukturen, Prozesse und Instrumente besser auszugestalten. Der Beitrag möchte nicht den Versuch unternehmen, das gesamte Theoriespektrum darzustellen, sondern er konzentriert sich in erster Linie auf einen prominenten Zugangsweg aus den Wirtschaftswissenschaften. Hierbei handelt es sich um die Prinzipal-Agent-Theorie (Jensen & Meckling 1976). Da mit Blick auf die Vielzahl unterschiedlichster Akteure in der Forstwirtschaft davon auszugehen ist, dass sich zugrundeliegende Motive (extrinsisch vs. intrinsisch) oder anzunehmende Verhalten (opportunistisch vs. Gruppenwohl) unterscheiden, soll zudem auch die Stewardship-Theorie vorgestellt werden (Davis et al 1997). Sie bildet einen Gegenpol zum negativ konnotierten Menschenbild der Prinzipal-Agent-Theorie. Beide Theorien liefern je nach Akteur mögliche Herangehensweisen zur Gestaltung notwendiger Strukturen und Instrumente für die Zusammenarbeit.
Im Folgenden werden zunächst die beiden Theoriestränge vorgestellt und dabei jeweils konkrete Massnahmen abgeleitet, die für das Zusammenspiel der Akteure in der Forstwirtschaft zur Anwendung kommen können. Der Beitrag schliesst mit einem Fazit und Ausblick.
Prinzipal-Agent-Theorie
Die Neue Institutionenökonomik gilt seit Jahrzehnten als bestimmendes Theoriegebäude der Wirtschaftswissenschaft. In sie eingebettet, bestehen die Prinzipal-Agent-Theorie, die Theorie der Verfügungsrechte und die Transaktionskostentheorie als wesentliche Theoriestränge (Kieser & Ebers 2019). Die Prinzipal-Agent-Theorie ist ein besonders dominierender und etablierter Ansatz, der nicht nur im privatwirtschaftlichen Kontext, sondern auch im Public Management herangezogen wird (Beiträge zur Schweizer Waldwirtschaft von Hostettler [2003] und Pudack [2006]).
Die Grundannahme der Prinzipal-Agent-Theorie sind Vertragsbeziehungen, welche die sozialen Beziehungen zwischen den Akteuren abbilden. Ausgehend von diesem Verständnis wird von sogenannten Agency-Beziehungen zwischen dem Auftraggebenden (Prinzipal) und dem Auftragnehmenden (Agent) gesprochen (Jensen & Meckling 1976, Abbildung 1).
Während das Grundmodell jeweils nur einen Prinzipal und einen Agenten betrachtet, lassen sich in der Realität jedoch eine Vielzahl an Vertragsbeziehungen finden, wodurch Akteure gleichzeitig die Rolle des Prinzipals und des Agenten übernehmen können. Zu denken ist hier etwa an einen Forstbetrieb, der für eine Gemeinde einen Wald bewirtschaftet und gleichzeitig ein Forstunternehmen beauftragt. Die Betrachtung der gesamten Wertschöpfungskette zur Bewirtschaftung eines Waldes zeigt somit eine lange, mehrstufige und verschachtelte Kette an Prinzipal-Agent-Beziehungen (Abbildung 2).
Der Prinzipal-Agent-Theorie liegen folgende Annahmen zugrunde:
- Begrenzte Rationalität: Durch unvollkommene Informationen können die Akteure nur begrenzt rational entscheiden. Während Holzlieferanten etwa detailliertere Informationen über die Herkunft und die Qualität des Holzes haben, muss sich der holzverarbeitende Betrieb auf die beschränkten Informationen verlassen, die ihm etwa durch den Holzlieferanten selbst vorgelegt werden.
- Opportunismus: Das Handeln von Akteuren ist von der persönlichen Nutzenmaximierung geleitet. Die Leiterin eines Forstbetriebs könnte etwa versuchen, durch eine übermässige Ernte der wertvollsten Bäume kurzfristige Gewinne zu maximieren, während der Waldeigentümer an einer langfristigen und nachhaltigen Nutzung seines Waldes interessiert ist.
- Asymmetrische Informationsverteilung: Zwischen den Akteuren besteht eine ungleiche Verteilung von Informationen. Die Leiterin des Forstbetriebs hat etwas mehr Wissen über die Waldbewirtschaftung und die täglichen Abläufe als der Waldeigentümer. Akteure mit einem Vorsprung an Informationen können diesen zu ihrem Vorteil nutzen.
- Spezifität: Die Beziehungen zwischen Prinzipal und Agent sind durch Spezifität geprägt. So hat die angestellte Forstfachperson etwa spezifisches Wissen über die Gegebenheiten des Waldes, wie etwa dessen Baumarten oder die Beschaffenheit des Geländes. Der Waldeigentümer ist damit stark auf die Leistungen der Forstfachperson angewiesen, da ohne ihre Fähigkeiten der Wald nicht adäquat bewirtschaftet werden kann. Die Forstfachperson kann diese vorteilhafte Verhandlungsposition ausnutzen und bessere Vertragsbedingungen verlangen oder weniger sorgfältig arbeiten, weil sie weiss, dass der Waldeigentümer nur begrenzte Alternativen hat.
In der Gesamtschau zeigt sich, dass die handelnden Akteure als eigennützige Nutzenmaximierer angesehen werden, die unterschiedliche Interessen und Nutzenneigungen haben. Asymmetrische Informationsverteilung und Interessensunterschiede führen dazu, dass der Prinzipal adäquate Massnahmen zur Zielerreichung ergreifen muss. Der Agent kann seinen Informationsvorsprung opportunistisch ausnutzen und entgegen den Interessen des Prinzipals handeln. Zur Lösung dieser Agency-Problematik gilt es, die Interessen des Prinzipals und des Agenten weitestgehend anzugleichen und die Informationsasymmetrien bestmöglich abzubauen.
Um die Interessen besser aufeinander abzustimmen und Informationsasymmetrien zu reduzieren, können folgende Massnahmen ergriffen werden:
- Vertragsgestaltung: In Verträgen kann klar und deutlich festgelegt werden, welche Pflichten und Rechte für beide Parteien bestehen. In ihnen können spezifische Leistungsziele, Berichterstattungspflichten und Sanktionen bei Nichterfüllung festgehalten werden. Für den Agenten können Anreize geschaffen werden, die Interessen des Prinzipals wahrzunehmen.
- Transparenz und Berichterstattung: Der Agent kann regelmässig über seine Aktivitäten, Fortschritte und Probleme berichten. Dabei sollten die Berichte standardisiert sein, um Vergleichbarkeit, ausreichend Transparenz und möglichst geringe Kosten zu gewährleisten.
- Überwachung und Kontrolle: Unabhängige Dritte können sicherstellen, dass die Aktivitäten des Agenten den vertraglichen Vereinbarungen und gesetzlichen Anforderungen entsprechen.
- Anreizsysteme: Es können Vergütungssysteme eingeführt werden, die an die Erreichung spezifischer Ziele, wie etwa eine nachhaltige, kosteneffiziente und ertragssteigernde Bewirtschaftung, gebunden werden. Geeignet sind auch Anreize, die auf langfristige Ziele ausgerichtet sind, um kurzfristiges opportunistisches Verhalten zu vermeiden.
- Schulung und Weiterbildung: Prinzipale können mit regelmässigen Schulungen ihr Wissen über forstwirtschaftliche Praktiken und Technologien sowie ihre Managementfähigkeiten erweitern. Die Agenten ihrerseits können Zugang zu Fortbildungen und Weiterbildungen erhalten, damit sie über die neuesten Methoden und Technologien informiert sind.
- Vertrauensbildung: Es können langfristige Partnerschaften statt kurzfristige Vertragsbeziehungen aufgebaut werden, um das Vertrauen und die Zusammenarbeit zu fördern. Hierzu kann auch ein regelmässiger Austausch zwischen Prinzipal und Agent zur Besprechung von Fortschritten, Herausforderungen und zukünftigen Plänen zählen.
Stewardship-Theorie
Zwar gilt die Prinzipal-Agenten-Theorie immer noch als die vorherrschende Sichtweise auf Prinzipale und Agenten, jedoch besteht eine vorherrschende Kritik an den zugrundeliegenden Annahmen. Diese bezieht sich insbesondere auf das rational-ökonomische Menschenbild und die auf den eigenen Nutzen bedachten Akteure. Einen Gegenpol zur Prinzipal-Agent-Theorie bildet die Stewardship-Theorie, die von einem positiv gelagerten Menschenbild ausgeht (Davis et al 1997).
Im Gegensatz zum Agenten ist der Steward ein Akteur, der das Wohl der Organisation über sein eigenes Wohl stellt und grossen Nutzen aus den Verhaltensweisen zieht, die auf das Wohl der Organisation hinarbeiten. Die Rahmenbedingungen, unter denen ein Steward agiert, beeinflussen sein Verhalten. Daher sollte einem Steward möglichst viel Autonomie gewährt werden, damit dieser bestmöglich im Sinne der Organisation agieren kann.
Kontrolle ist somit nicht nötig und würde das Verhalten des Stewards sogar negativ beeinflussen. Die Motivation des Stewards ist, im Gegensatz zu der des Agenten, nicht von extrinsischen Faktoren abhängig. Der Steward fühlt sich als Teil der Organisation und ist intrinsisch motiviert, mit ihr das Beste zu erreichen. Der Steward identifiziert sich mit den Zielen und Werten der Organisation und möchte daher zu ihrem Erfolg beitragen. Eine Darstellung der wesentlichen Unterschiede zwischen den beiden Theorien zeigt Tabelle 1.
Nach Velte (2010)
Folgende spezifische Massnahmen können aus Perspektive der Stewardship-Theorie zur Anwendung kommen:
- Vertrauensbasierte Beziehungen: Es können langfristige und stabile Partnerschaften zwischen Prinzipal und Steward aufgebaut werden, damit ein Gemeinschaftsgefühl entsteht und sich der Steward als Teil der Organisation fühlt. Regelmässige und offene Dialoge tragen dazu bei, die Ziele und Werte des Stewards mit denen der Organisation zu harmonisieren.
- Gemeinsame Vision und Werte: Prinzipal und Steward können gemeinsam eine Vision und eine Mission für die Bewirtschaftung des Waldes entwickeln, die auch langfristige Ziele berücksichtigt. Ebenfalls kann eine Unternehmenskultur gefördert werden, die Werte wie Verantwortung, Nachhaltigkeit und ethisches Verhalten betont.
- Autonomie: Stewards können die Autonomie erhalten, Entscheidungen zu treffen, die im besten Interesse des Waldes und des Prinzipals liegen, ohne dass jede Entscheidung genehmigt werden muss. Dabei sollten dem Steward aber auch die notwendigen Ressourcen und Unterstützung zur Verfügung stehen, damit er seine Aufgaben bestmöglich erfüllen kann.
- Gemeinsame Zielsetzungen und Anreize: Es können gemeinsame Ziele und Leistungsindikatoren bestimmt werden, die sowohl die Interessen des Prinzipals als auch diejenigen des Stewards berücksichtigen. Anreizsysteme basieren auf gemeinsamen Erfolgen. Beispiele sind etwa Gewinnbeteiligungen oder Prämien für nachhaltige Bewirtschaftungspraktiken.
- Partizipation und Inklusion: Prinzipale können Stewards aktiv in die Entscheidungsprozesse einbeziehen, um ihre Expertise und ihr Engagement zu nutzen.
- Transparenz und Rechenschaftspflicht: Eine offene und transparente Kommunikation über Ziele, Strategien und Ergebnisse schafft Vertrauen und stärkt die Rechenschaftspflicht.
- Bildung und Weiterbildung: Investitionen in die kontinuierliche Weiterbildung und Entwicklung des Stewards stellen sicher, dass dieser über die neuesten Methoden und Technologien informiert ist. Gleichzeitig sollte der Steward ermutigt werden, eigene innovative Ansätze und Ideen zur Verbesserung der Waldbewirtschaftung umzusetzen.
- Gemeinsame Verantwortung und ethisches Verhalten: Die Etablierung hoher ethischer Standards und von Verhaltensrichtlinien gewährleistet, dass alle Handlungen im besten Interesse des Waldes und der Organisation erfolgen.
Ein wesentlicher Unterschied zur Prinzipal-Agent-Theorie liegt somit darin, das Vertrauen in den Steward zu stärken. So wird seine intrinsische Motivation gefördert und seine Selbstverwirklichung ermöglicht.
Fazit und Ausblick
Mit der Prinzipal-Agent-Theorie und der Stewardship-Theorie bestehen zwei prominente Zugangswege, die zur Betrachtung von Fragestellungen rund um die Steuerung und Führung von Forstbetrieben genutzt werden können. Wesentlicher Unterschied zwischen den beiden Theorien ist das zugrundeliegende Menschenbild. In der Praxis werden sich dabei selten Situationen finden lassen, in denen sich eine der beiden Theorien in Reinform anwenden lässt. Vielmehr gilt es bei jeder Beziehung zu entscheiden, ob es sich um einen Agenten oder einen Steward handelt.
Eine mögliche Herangehensweise kann hierbei etwa ein Blick auf die Betriebskultur sein. Handelt es sich um einen Betrieb, in dem kollektiv gedacht und gehandelt wird, so werden voraussichtlich Stewards anzutreffen sein. Mit ihnen gilt es dann, langfristige, stabile Beziehungen aufzubauen und ihnen eine hohe Autonomie zu gewähren. Ist die Umgebung hingegen individualistisch ausgeprägt, mit einer hohen Machtdistanz, so wird es sich eher um Agenten handeln. Mit ihnen sollten dann klar und deutlich festgelegte Absprachen erfolgen, deren Einhaltung durch Transparenz sowie Berichte kontrolliert wird.
Eine weitere Möglichkeit ist die Betrachtung der Häufigkeit und Dauer der Beziehung. Handelt es sich um eine kurzfristige oder unregelmässige Beziehung, so drängen sich die Massnahmen aus der Prinzipal-Agent-Theorie auf. Bei einer einmaligen und langfristigen Beziehung erscheinen die Stewardship-Massnahmen dienlicher.
Erfolgt in der praktischen Anwendung keine differenzierte Betrachtung und wird einem Agenten etwa die Rolle eines Stewards zugesprochen, so können ineffektive oder sogar betriebsschädliche Situationen folgen. Eine anforderungsgerechte Anwendung verspricht hingegen erfolgreiche und kosteneffiziente Beziehungen, die für eine nachhaltige und erfolgreiche Waldbewirtschaftung sorgen.
Eingereicht: 1. Juli 2024, akzeptiert (mit Review): 18. Oktober 2024
Literatur
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