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Auf der Suche nach «dem deutschen Wald»
16.12.2024
Rezension · Recension
Im Rahmen der Reihe «European Essays on Nature and Landscape» erschien vor Kurzem ein äusserlich unscheinbares, knapp 150 Seiten starkes Büchlein. Schon dessen Titel «Waldendzeit» wirft die Frage auf, was mit diesem Begriff gemeint ist. Die Lektüre zeigt schnell, dass Wilhelm Bode eine vorurteilsfreie Sicht auf die deutsche Forstgeschichte im 18. und 19. Jahrhundert und auf «den deutschen Wald» werfen will.
Unkonventionelles und ambitiöses Vorgehen
Der renommierte Forstwissenschaftler, Jurist und Umweltschützer wählte ein ebenso unkonventionell wie ambitiösen Vorgehen: Wilhelm Bode sucht mittels Interpretationen, Deutungen oder in versteckten, unterschwelligen Botschaften anhand von unterschiedlichen Gemälden zeitgenössischer Maler, wie eine klarere Vorstellung des deutschen Waldes von heute gewonnen werden kann. Dazu greift er auf Quellen des romantischen Malers Caspar David Friedrich oder des Dichters Ludwig Tieck mit seiner «Waldeinsamkeit» zurück.
Das präsentierte Waldbild ist bekanntermassen bis in die Gegenwart noch immer «fichtendominiert». Diese Sachlage gibt dem Autor Anlass zu einer unverhüllten Fundamentalkritik am Zustand der heutigen deutschen Waldwirtschaft. Die Folgen der langjährig verfehlten Forstpolitik zeigen sich in der Verarmung der Biodiversität, in abnehmender Bodenfruchtbarkeit sowie generell in einer rückläufigen Resilienz des Waldes. Dies belegen leider auch die aktuell besorgniserregenden Meldungen zunehmender Waldschäden jeglicher Art.
Weg von der «fichtenlastigen Altersklassen-Waldwirtschaft»
Deshalb fordert Wilhelm Bode resolut einen eigentlichen «forstlichen Paradigmenwechsel» in Form einer radikalen Abkehr von der nach wie vor «fichtenlastigen Altersklassen-Waldwirtschaft». Damit verbunden ist eine längst überfällige Hinwendung zum naturnahen Dauer-(Plenter-)Wald auf bioökologischer Basis und der 1922 erschienen Schrift «Der Dauerwaldgedanke» von Alfred Möller.
Die «Botschaft» Wilhelm Bodes umfasst zwei Gedanken. Einerseits interessant und jedenfalls diskussionswürdig ist die nachgezeichnete deutsche Forstgeschichte über die letzten 200 Jahre anhand der vorerwähnten Zeugnisse zeitgenössischer kunsthistorisch bedeutsamer Werke aus Malerei und Dichtung. Andererseits ruft der Autor resolut nach einer dringend notwendigen Abkehr von der traditionellen, naturfernen – um nicht zu sagen zerstörerisch wirkenden – deutschen Waldwirtschaft.
So bleibt zu wünschen, dass der Weckruf von den heutigen forst- bzw. waldwirtschaftlich relevanten Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträgern erhört und die entsprechenden Weichen richtig gestellt werden.
Peter Hahn
Waldendzeit. Mit einem Vorwort von Hans Joachim Schellnhuber. Hamburg: Klaas Jarchow Media Buchverlag. 168 p. ISBN 978-3-96194-247-3