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Risikobewertung der Nitratauswaschung aus Wäldern in der Schweiz
26.02.2025

Notiz
Wälder tragen zur Erneuerung des Grundwassers in Trinkwasserqualität bei. Wiederholte Untersuchungen zeigen, dass die hohe Stickstoffdeposition immer noch zu erhöhten Konzentrationen von Nitrat im Sickerwasser aus Wäldern führen kann. Zu hohe Nitratwerte im Trinkwasser können die Gesundheit für Mensch und Umwelt beeinträchtigen. Die Bodeninventur auf fünf ausgewählten Flächen des Programms «Langfristige Waldökosystem-Forschung» zeigt, dass die Stickstoffsättigung auf einem Teil der Flächen, trotz Rückgang der Einträge, eher zugenommen hat. Dadurch sinkt die Fähigkeit von Böden, Stickstoff aufzunehmen, womit das Risiko erhöhter Nitratauswaschung tendenziell steigt.
Schweiz Z Forstwesen 176 (2): 118–120. https://doi.org/10.3188/szf.2025.0118
* Zürcherstrasse 111, CH-8903 Birmensdorf, E-Mail peter.waldner@wsl.ch
In der Schweiz kann ein grosser Teil des Trinkwassers ohne Aufbereitung aus Quell- oder Grundwasser gewonnen werden. Besonders bevorzugt werden Quellen oder Grundwasserkörper in bewaldeten Einzugsgebieten, da dem Waldboden aufgrund seiner typischerweise feingliedrigen Struktur eine gute Filterwirkung für Verunreinigungen zugeschrieben wird (BAFU 2019). Bei hohen Stickstoffeinträgen (atmosphärische Deposition) kann allerdings Nitrat aus Waldböden ausgewaschen werden (Gundersen et al 2009). Nitrat ist eine gut wasserlösliche, mobile Form des Stickstoffs, die sich nur mit aufwendigen Methoden aus dem Wasser entfernen lässt und bei hohen Konzentrationen im Trinkwasser (Anforderung <5.6 mg N/L, GSchV 2023) gesundheitliche Risiken mit sich bringt. Das Sickerwasser in Schweizer Wäldern weist in der Regel eine vergleichsweise niedrige Konzentration von Nitrat auf (typischerweise 1 bis 3 mg N/L, BAFU 2019), was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass der Wald in der Schweiz nicht direkt gedüngt oder gekalkt wird. Eine Kalkung kann unter Umständen zu einer Mobilisierung des Stickstoffs im Oberboden führen (Reif et al 2014).

Allerdings stellen hohe Nitratwerte in Grundwasserkörpern in Teilen des Mittellands eine Herausforderung für die Wasserqualität dar (BAFU 2019). Die Stickstoffdeposition in den Wald hat ab Mitte des letzten Jahrhunderts stark zugenommen und ist seit den 1990er-Jahren dank ergriffener Luftreinhaltemassnahmen rückläufig (Meusburger et al 2025). Dennoch überschreiten an vielen Standorten die Stickstoffeinträge die langfristig kritischen Werte (Bobbink et al 2022), wie von Meusburger et al (2025) weiter erläutert. Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage, wie sich die Nitratausträge aus Wäldern in der Schweiz in der Zukunft entwickeln könnten.
Methoden
Die steuernden Einflussgrössen der Nitratkonzentrationen im Sickerwasser wurden anhand eines Datensatzes aus 19 Ländern Europas von insgesamt 255 Flächen des Internationalen Kooperationsprogramms zur Beurteilung und Beobachtung der Auswirkungen der Luftbelastung auf Wälder (Level-II-Messnetz, Michel et al 2024) bestimmt. In diesem internationalen Netzwerk, zu dem auch neun Flächen des Programms «Langfristige Waldökosystem-Forschung» (LWF) in der Schweiz gehören, werden die Nitratflüsse nach standardisierten Methoden gemessen (Waldner et al 2015, Johnson et al 2018, Meusburger et al 2022).
Eine multivariate lineare Regression wurde verwendet, um das logtransformierte 90%-Quantil der Nitratkonzentrationen in den Sickerwasserproben der einzelnen Flächen zu analysieren (siehe auch Waldner et al 2019). Hierbei wurden die Variablen Nadelholzanteil des Baumbestandes sowie der pH-Wert (CaCl2) und das Kohlenstoff-zu-Stickstoff-Verhältnis (C/N) in den obersten 40 cm des Mineralbodens, die Blattspiegelwerte (Meusburger et al 2025) und die mittleren Änderung der Kronenverlichtung (siehe Hunziker et al 2025) berücksichtigt, alle mit je einem Mittelwert pro Fläche.
Um die Veränderungen der C- und N-Vorräte im Boden und die Stickstoffsättigung zu beurteilen, wurde im Jahr 2022 auf fünf Schweizer LWF-Flächen eine zweite Bodeninventur durchgeführt, gut 25 Jahre nach der ersten (Walthert et al 2002).
Resultate
Im verwendeten Datensatz erklärten die Stickstoffdeposition und der pH-Wert in den obersten 40 cm des Mineralboden einen signifikanten Anteil der Variabilität der Nitratkonzentrationen im Sickerwasser. Dagegen waren die normierten Blattspiegelwerte von Stickstoff und die Änderung der Kronenverlichtung knapp nicht signifikant (Tabelle 1). Die weiteren getesteten Blattspiegelwerte, das getestete C/N-Verhältnis und der Nadelholzanteil leisteten in diesem Datensatz keinen signifikanten Beitrag zur Erklärung der Variabilität der Zielgrösse und wurden schrittweise weggelassen. Insgesamt erklärte die resultierende Regression rund 25% der Variabilität (R2 = 0.27) der Nitratkonzentration im Sickerwasser.

den Einfluss (±SD) und die statistische Signifikanz (p-Wert) der analysierten Faktoren. Resultat einer
linearen Regression mit logarithmierter Zielgrösse. * Variable nicht signifikant, ausgeschlossen.
SD: Standardabweichung, p: Wahrscheinlichkeit. ** Normiert anhand von Schwellenwerten von Göttlein
et al (2011)
Abschätzungen für den Schweizer Wald
Die erklärenden Variablen lassen nur eine grobe Einschätzung für das Risiko eines erhöhten Nitrataustrags aus den Wäldern zu. Als hoch wird das Risiko für Teile des Mittellands eingeschätzt, da dort die Stickstoffdeposition hoch ist. Die Unsicherheit der Einschätzungen ist jedoch gross und umfasst einen Wertebereich bis zum 25-Fachen des berechneten Werts.
Hinweise für Änderungen im Boden
Auf den LWF-Flächen, bei denen aufgrund der gemessenen Stoffflüsse (Eintrag mit der Deposition und Austrag mit dem Sickerwasser; siehe auch Meusburger et al 2025) eine Akkumulation von Stickstoff erwartet wurde, zeigte sich eine Zunahme der Vorräte von Kohlenstoff und Stickstoff (Tabelle 2). Dabei fiel die Zunahme für Stickstoff stärker aus, was insgesamt zu einer Abnahme des C/N-Verhältnisses führte.

Diskussion und Schlussfolgerungen
Der Einfluss des Stickstoffeintrags auf den Austrag ist plausibel und vielfach belegt (Gundersen et al 2009). Im hier verwendeten Datensatz sind einige Standorte enthalten, die sowohl einen hohen Nährstoffumsatz als auch einen hohen pH-Wert aufweisen. Starke Veränderungen im Gesundheitszustand oder im Bestand der Bäume, angezeigt etwa durch eine markante Zunahme der Kronenverlichtung, können zu einer Mobilisierung der im Boden gespeicherten Nährstoffe führen. So zeigten Studien, dass das Absterben oder Abholzen von Bäumen häufig, aber nicht immer, in den darauffolgenden rund fünf Jahren zu einer Erhöhung des Nitrataustrags führt (Hegg et al 2004). Zunehmende Dürreschäden und Windwürfe infolge zunehmender Klimaextreme bergen daher das Risiko einer erhöhten Nitratauswaschung.
Weitere Empfehlungen zur Reduktion des Risikos erhöhter Nitratausträge lassen sich aus Ergebnissen früherer Untersuchungen ableiten (Waldner et al 2016) und umfassen das Anstreben einer permanent geschlossenen Vegetationsdecke (Waldner et al 2019), das Fördern von Baumarten mit tiefer Durchwurzelung, die zeitliche Staffelung von Holzschlägen innerhalb eines Einzugsgebiets mit einer Trinkwasserfassung und die Beibehaltung des Verzichts auf Düngung und Kalkung. Die Resultate dieser Studie bestätigen zudem, dass Massnahmen zur Reduktion der Stickstoffdeposition auch weiterhin das Risiko für erhöhte Nitratausträge vermindern.
Auf Flächen mit anhaltend hoher Stickstoffdeposition, für die Meusburger et al (2025) eine Zunahme des Stickstoffaustrags in den letzten 20 Jahre zeigen, haben die Kohlenstoff- und insbesondere die Stickstoffvorräte im Boden in den letzten gut 25 Jahren zugenommen. Die Abnahme des C/N-Verhältnisses auf einigen Flächen deutet auf eine zunehmende Stickstoffsättigung hin, welche die Fähigkeit des Bodens, weiteren Stickstoff aufzunehmen, zunehmend begrenzt. Auf diesen Flächen sowie in Wäldern mit Veränderungen im Waldzustand ist somit noch nicht klar, ob der Rückgang der Stickstoffeinträge allein bereits eine Abnahme des Risikos erhöhter Nitratausträge bewirkt.
Dank
An Noureddine Hajjar, Alois Zürcher, Daniel Christen und an das Zentrallabor der WSL für die langjährigen Aufbereitung und Analyse der Proben im Labor. An Stephan Zimmermann und viele andere für die Wiederholung der Bodenbeprobung auf den LWF-Flächen, die durch das Bundesamt für Umwelt und den Schweizerischen Nationalfonds mitfinanziert wurde.
Literatur
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