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Wachstum und Trockenstress: physiologische Charakterisierung von Schweizer Waldbäumen

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Roman Zweifel1,*, Christoph Bachofen1,2, David Basler1,3, Sabine Braun4, Nina Buchmann5, Marco Conedera6, Sophia Etzold1, Marius G. Floriancic5, Elham R. Freund7, Eric Gehring6, Arthur Gessler1,5, Dominik Hummel1, Richard L. Peters3, Andreas Rigling1,5, Marcus Schaub1, Lorenz Walthert1

1 Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL, Birmensdorf (CH)
2 École Polytechnique Fédérale de Lausanne, EPF Lausanne, Lausanne (CH)
3 Physiologische Pflanzenökologie, Universität Basel, Basel (CH)
4 Institut für angewandte Pflanzenbiologie IAP, Witterswil (CH)
5 ETH Zürich, Zürich (CH)
6 Eidg. Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft, WSL, Cadenazzo (CH)
7 Geographisches Institut, Universität Zürich, Zürich (CH)

Abstract

Das Monitoring-Netzwerk TreeNet untersucht mit automatischen Sensoren an Baumstämmen (Punktdendrometern) den Wasserhaushalt und das Wachstum von Waldbäumen an rund 70 Standorten in der Schweiz (inkl. 13 LWF-Standorten). Alle zehn Minuten werden an über 500 Bäumen die Stammradien in Mikrometergenauigkeit gemessen sowie Daten in Atmosphäre und Boden gesammelt. Hier zeigen wir charakteristische physiologische Durchschnittswerte von neun Baumarten basierend auf Einzelbaummessungen (1998–2023). Unterschiede in den Art- (Wachstumsraten, Baumwasserdefizit) und Standorteigenschaften (Niederschlag und Temperatur während der Wachstumsphase) bestimmen das Gedeihen der Bäume. Das durchschnittliche Jahreswachstum wurde hauptsächlich durch die Anzahl der Wachstumsstunden pro Jahr und die mittlere Wachstumsrate pro Stunde erklärt. Die Douglasie und die Tanne zeigten die grössten Zuwächse. Die Fichte hatte die höchste Wachstumsrate pro Stunde, erreichte aber aufgrund der wenigen Wachstumsstunden einen nur durchschnittlichen Jahreszuwachs. Die Wasserspeicherkapazität eines Baumes – hergeleitet aus der maximalen, täglichen Schrumpfung des Stammes – und das Baumwasserdefizit sind weitere Faktoren, die das Wachstum beeinflussen. Innerhalb derselben Art deutet eine grössere Wasserspeicherkapazität auf mehr Wachstum hin. Über alle neun untersuchten Arten hinweg wachsen jedoch Arten mit einer generell kleinen Wasserspeicherkapazität am besten (Douglasie, Tanne, Buche). Wir zeigen, wo die TreeNet-Bäume am besten wachsen (Schweizer Mittelland) und wo sie unter dem grössten Trockenstress leiden (Wallis und Nordschweiz).

Keywords: stem radius changes, tree water relations, tree growth, drought stress, tree characteristics, TreeNet Switzerland

Schweiz Z Forstwesen 176 (2): 99–105. https://doi.org/10.3188/szf.2025.0099

* Zürcherstrasse 11, CH-8903 Birmensdorf, E-Mail: roman.zweifel@wsl.ch

Das Wachstum von Bäumen wird traditionell mit dem Brusthöhendurchmesser (BHD) oder mit Jahrringanalysen untersucht. Diese Methoden bieten umfangreiche Informationen über die Entwicklung von Bäumen in Abhängigkeit von ihren Umweltbedingungen. Mit Jahrringanalysen kann man zudem weit in die Vergangenheit blicken. Die Informationen aus diesen Methoden sind jedoch zeitlich nicht sehr hoch aufgelöst (meist ein Wert pro Jahr). Sie beschränken sich auf das Holz des Stammes und eignen sich nur bedingt, physiologische Prozesse in den Bäumen zu verstehen, die typischerweise tägliche oder sogar stündliche Dynamiken aufweisen. Um diese Wissenslücke zu füllen, wurde mithilfe des Bundesamts für Umwelt (BAFU) und der beteiligten Institutionen ab 2011 das Netzwerk TreeNet aufgebaut (Zweifel et al 2021a). In TreeNet messen Punktdendrometer (Abbildung 1) Stammradiusänderungen in 10-Minuten-Auflösung und bieten dabei nicht nur Informationen zum radialen Zuwachs von Holz und Rinde eines Baumes, sondern quantifizieren auch die Stammschrumpfung aufgrund von Wasserdefiziten in hoher zeitlicher Auflösung.

Im Laufe eines sonnigen Sommertages verringert sich der Stammradius eines Baumes um bis zu 0.2 mm, da der Baum durch die Blattverdunstung mehr Wasser abgibt als er gleichzeitig über die Wurzeln aufnehmen kann. Diese tägliche maximale Stammschrumpfung (maximum daily shrinkage [MDS]) ist artspezifisch. Während der Nacht, wenn die Blattverdunstung klein ist, wird das fehlende Wasser aufgefüllt, und der Stamm dehnt sich wieder aus. Das radiale Schrumpfen des Stammes ist proportional zum Volumenverlust an Wasser und kann nicht nur täglich als MDS quantifiziert werden, sondern auch über längere Perioden hinweg als Baumwasserdefizit (tree water deficit [TWD]). Sobald ein Baumstamm schrumpft, können sich die Zellen des Kambiums nicht mehr teilen, weil das negative Wasserpotenzial dies biophysikalisch verhindert (Lockhart 1965). Ein zunehmendes TWD führt daher immer zu einem Wachstumsstopp. Dies ist auch der Grund dafür, dass Bäume hauptsächlich nachts wachsen (Zweifel et al 2021b). Mit den verwendeten Punktdendrometern kann das in Echtzeit beobachtet werden.

Je nach Intensität der Trockenheit und der Bodenwasserverfügbarkeit kann sich das TWD über mehrere Tage bis zu Wochen halten oder sogar zunehmen. Daher ist das Wachstum – und damit auch der Kohlenstoffhaushalt – eng mit dem Wasserhaushalt gekoppelt. Eine vollständige Wassersättigung und damit Wachstum erreichen Bäume aber nur an vergleichsweise wenigen Tagen (resp. Nächten) pro Jahr (Etzold et al 2022).

Dendrometerdaten, die über Jahre bis zu Jahrzehnten am selben Baum in hoher zeitlicher Auflösung gemessen werden, lassen charakteristische Muster und Rückschlüsse auf physiologische Eigenschaften erkennen. Zuwachs- oder Schrumpfungsraten werden durch artspezifische Eigenschaften und Umweltbedingungen bestimmt. Sie bestimmen etwa, wie Bäume auf Trockenheit reagieren und welches Potenzial sie haben, trotz Trockenstress Wachstumszeitfenster zu finden. Mit diesem Hintergrundwissen können Charakteristiken hergeleitet werden, die die Auswirkungen von Trockenheit auf Bäume aufzeigen und die Auswirkungen auf das Wachstum quantifizieren. In dieser Studie charakterisieren wir neun Baumarten und zeigen, an welchen TreeNet-Standorten die Bäume am besten wachsen und wo sie am meisten unter Trockenstress leiden.

Material und Methoden

Netzwerk TreeNet

TreeNet ist ein Waldmonitoring-Netzwerk. Es wird von der WSL, der ETH Zürich, der EPF in Lausanne, der Universität Zürich, dem Institut für angewandte Pflanzenbiologie (IAP), der Universität Basel, der Zürcher Hochschule der Künste und dem BAFU (Abteilung Wald) betrieben. Wichtige Partner sind u.a. das Programm «Langfristige Waldökosystem-Forschung» (LWF), die Walddauerbeobachtung der Kantone (IAP), die Integrated Carbon Observation System Research Infrastructure (ICOS RI), das SwissForestLab und das Swiss FluxNet. An jedem der über 70 Messstandorte werden Klima-, Boden- und Baumvariablen ermittelt. Die Daten werden automatisch erfasst und in eine zentrale Datenbank übertragen (Decentlab GmbH, Dübendorf). TreeNet startete offiziell 2011, die ältesten Datensätze gehen zurück bis 1998.

Punktdendrometer

Im Zentrum der Methodik stehen sogenannte Punktdendrometer (Natkon, Oetwil am See, Abbildung 1), die in µm-Genauigkeit alle zehn Minuten Stammradiusänderungen messen. Die Messdaten werden laufend bereinigt, in Wachstum und Baumwasserdefizit umgerechnet und automatisch prozessiert (R-Skript «treenetproc», treenet.info, Zweifel et al 2021a). Messbäume sind fast ausschliesslich dominant.

Mess- und abgeleitete Daten

Von den insgesamt 708 Dendrometer-Messreihen an insgesamt 24 Baumarten wurden jene mit einer Zeitreihe von mindestens zwei Jahren, Baumarten mit mindestens zwei Standorten und mindestens fünf Individuen ausgewählt. Daten von 358 Bäumen, 9 Baumarten und über 47 Standorten flossen in diese Studie ein (Tabelle 1). Die beiden Eichenarten Quercus robur und Quercus petraea wurden zusammengefasst, da sie hybridisieren und oft schwer voneinander zu unterscheiden sind.

Folgende physiologischen und meteorologischen Metadaten wurden für jedes Baumindividuum verwendet:

  • Durchschnittlicher radialer Stammzuwachs pro Jahr (GRO in µm/J): Mass für den jährlichen Zuwachs an Holz und Rinde.
  • Durchschnittliche Wachstumsrate (GRO/h in µm/h): Mass für die Geschwindigkeit, mit der ein Baum während den Wachstumsstunden neue Zellen auf eine funktionale Grösse ausdehnt.
  • Anzahl Wachstumsstunden pro Jahr (GRO Std in h/J): durchschnittliche Anzahl Stunden, während denen ein Baum wächst.
  • Durchschnittliches Baumwasserdefizit (TWD in µm Schrumpfung): durchschnittliche radiale Stammschrumpfung während der Wachstumsphase. Die Wachstumsphase wurde für jeden Standort separat berechnet.
  • Maximale tägliche radiale Stammschrumpfung (MDS in µm): Für jeden Baum wurde das 95%-Perzentil aller täglichen Schrumpfungswerte über die Messperiode bestimmt. Diese Grösse ist im Vergleich zum TWD weniger abhängig von der standortspezifischen Trockenheitsintensität, dafür mehr von der Wasserspeicherkapazität der Rinde. Die MDS wird hier deshalb als (maximale tägliche) Wasserspeicherkapazität des Stammes bezeichnet.
  • Trockenstressindikator (TWD_norm, ohne Dimension): Der TWD wird mit der MDS normiert (TWD/MDS) und trägt so der individuellen Wasserspeicherkapazität von Bäumen Rechnung (Peters et al 2023). TWD_norm >0 deutet auf einen leichten, TWD_norm >1 auf einen erhöhten Trockenstress hin.

Baumhöhe (Höhe in m), Durchmesser des Stammes auf Brusthöhe (BHD in cm), durchschnittliche saisonale Niederschlagssumme während der Wachstumsphase (NS in mm, Zeitraum 1981–2022, MeteoSchweiz) und durchschnittliche saisonale Temperatur während der Wachstumsphase (Temp in °C, 1981–2022, MeteoSchweiz) waren weitere, verwendete Messgrössen.

Statistische Analysen

Der Basisdatensatz besteht aus Medianwerten von mehrjährigen Zeitreihen der oben aufgeführten Variablen und wurde mit der Statistiksoftware R analysiert.

Die Spinnennetzgrafiken in Abbildung 2 zeigen die artspezifischen Einflüsse von Umweltvariablen auf das Jahreswachstum einer Baumart. Dafür wurden die Daten pro Baumart in drei gleich grosse Wachstumsklassen gruppiert und jede Variable auf je einer Achse des Spinnennetzes in diesen Klassen dargestellt. Pearson-Korrelationsanalysen (inkl. Vertrauensintervall) zwischen den verschiedenen Variablen und dem Jahreswachstum zeigen an, ob und in welchem Mass (p <0.001 = ***, p <0.01 =**, p <0.05 = *) erklärende Beziehungen bestehen. Abbildung 3 vergleicht die Zusammenhänge zwischen Arten mit linearen Regressionen. Abbildung 4 basiert auf dem Jahreswachstum (GRO) bzw. dem Trockenstress (TWD_norm) von Einzelbäumen im Artenvergleich. Gemittelt pro Standort ergeben sich die Wüchsigkeit und der Trockenstress.

Resultate

Charakterisierung der Baumarten

Die Eigenschaften der untersuchten Baumarten bezüglich ihrer Physiologie (Wachstum und Wasserdefizit), Morphologie (Stammdurchmesser und Baumhöhe) und der Umweltbedingungen (Niederschlag und Temperatur während der Wachstumsphase) werden in Abbildung 2 als Spinnennetze visualisiert. Darin lassen sich die Mittelwerte jeder Variable pro Wachstumsklasse ablesen, aber auch, wie sich jede Variable zum Jahreswachstum GRO verhält. Die Anzahl Wachstumsstunden pro Jahr (GRO Std) erklärt beispielsweise statistisch signifikant für jede der neun Arten das Jahreswachstum. Das bedeutet: Je mehr Stunden ein einzelner Baum pro Jahr wächst, desto grösser ist sein Jahreswachstum im Vergleich mit seinen Artgenossen (Abbildung 2). Ähnliches gilt auch für die Wachstumsrate (GRO/h), allerdings nur für sieben der neun untersuchten Arten. Im Weiteren lässt sich ablesen, dass das radiale Jahreswachstum (GRO) von den meisten Arten nicht durch die Grösse des Baumes (BHD und Höhe) erklärt wird. Jedoch wachsen grössere Fichten signifikant mehr als kleinere, während es bei der Tanne tendenziell umgekehrt zu sein scheint. Zudem deuten ähnliche Muster des Spinnennetzes im Artenvergleich (z.B. bei Fichte und Waldföhre) auf ähnlich reagierende Baumarten hin, während sich stark unterscheidende Spinnennetze auf Arten mit unterschiedlichen Wachstumsstrategien hinweisen (z.B. Flaumeiche und Esche).

Artspezifische Unterschiede

Zusammenhänge von Baum- und Umwelteigenschaften mit dem Jahreswachstum (GRO) lassen sich nicht nur innerhalb einer Art finden (Abbildung 2), sondern auch über alle untersuchten Arten hinweg (Abbildung 3). Die Anzahl Wachstumsstunden pro Jahr (GRO Std) ist die aussagekräftigste Variable für GRO. Gut wachsende Arten (Douglasie und Tanne) haben ein 3- bis 4-Faches an Wachstumsstunden pro Jahr, verglichen mit der wenig wachsenden Flaumeiche (Tabelle 2). Genau umgekehrt ist der Zusammenhang mit der Wasserspeicherkapazität (MDS). Arten mit grosser MDS wachsen generell weniger als solche mit kleinem MDS. Auch die Wachstumsgeschwindigkeit (GRO/h) spielt eine Rolle, wie bei der Trauben- und Stieleiche, die im Vergleich mit der Hainbuche etwa die gleichen GRO Std aber ein deutlich grösseres GRO/h haben.

Das grösste mittlere Jahreswachstum der verglichenen Arten weist die Douglasie auf, gefolgt von der Tanne. Am wenigsten wachsen Baumarten, die an trockeneren Standorten vorkommen (Flaumeiche, Waldföhre), und Baumarten, die generell unter Trockenheit und Hitze leiden (Fichte) oder durch Krankheiten und Schädlingsbefall zusätzlich belastet sein können (Fichte, Esche).

Diskussion

Generelle Zusammenhänge

Der durchschnittliche Jahreszuwachs (GRO) von allen Arten lässt sich sehr gut mit der Anzahl Wachstumsstunden (GRO Std) pro Jahr und der Wachstumsrate pro Stunde (GRO/h) erklären. Je mehr Stunden ein Baum pro Jahr wächst und je grösser die Wachstumsrate ist, desto grösser ist der Zuwachs (siehe auch Etzold et al 2022). Generell kann GRO aus dem Produkt GRO Std × GRO/h gut abgeschätzt werden. Was auf den ersten Blick banal klingt, bekommt Tiefe, wenn man bedenkt, dass einige Bäume weniger als 200 Stunden pro Jahr wachsen (Abbildung 2, Tabelle 2) und dies praktisch nur in der Nacht (Zweifel et al 2021b). Die Wachstumsleistung von Bäumen hängt somit davon ab, wie oft die Umweltbedingungen während der Wachstumsphase (typischerweise von April bis August) Wachstum ermöglichen (Etzold et al 2022). Durchschnittswerte von Umgebungsbedingungen spielen eine untergeordnete Rolle für das Wachstum (Abbildung 2). Auch die Dimension der Bäume (Höhe, BHD) bietet keine verlässliche Grundlage für eine Erklärung des durchschnittlichen Baumwachstums. Zu erwähnen gilt, dass TreeNet hauptsächlich dominante Bäume erfasst und damit keine Aussage über junge und unterdrückte Individuen zulässt.

Potenzial für die Erklärung von Wachstum liegt auch im Baumwasserhaushalt. Dazu gehören die Wasserspeicherkapazität (MDS), das Baumwasserdefizit (TWD) und der Trockenstressindikator TWD_norm (die Kombination von beiden). Ansteigende TWD_norm-Werte deuten auf abnehmende Wasserreserven in Pflanze und Boden hin, Werte >1 auf einen erhöhten Trockenstress (Peters et al 2023). Generell verringert ein erhöhtes TWD das Wachstum (Abbildung 2), allerdings ist der Zusammenhang auf Standortebene relativ gering (R2 = 0.18 für die Daten aus Abbildung 4). Bei der Bedeutung der MDS für das Wachstum muss man zwischen einzelnen Bäumen innerhalb der gleichen Art und dem Artenvergleich unterscheiden. Innerhalb einer Art wachsen Bäume mit grosser MDS mehr als solche mit kleiner (7 von 9 Arten in Abbildung 2). Im Artenvergleich hingegen deuten grosse MDS auf ein generell kleineres Wachstum hin (Abbildung 3). Das könnte damit zu tun haben, dass einmal geleerte, grosse Wasserspeicher auch mehr Wasser brauchen, um wieder gefüllt zu werden. Das ist besonders limitierend, wenn der Fliesswiderstand gross ist, wie generell bei Nadelbäumen. Damit wird ein grösserer Wasserspeicher bei Wassermangel potenziell eher zum Handicap für das Wachstum. Allerdings kommen grosse MDS sowohl bei Arten an trockenen als auch bei Arten an feuchten Standorten vor. Ein tieferes physiologisches Verständnis für diese Zusammenhänge fehlt noch.

Artspezifische Eigenheiten

Der Jahreszuwachs einer Art (GRO) hängt, wie oben ausgeführt, weitgehend von der Anzahl Wachstumsstunden (GRO Std) und der Wachstumsrate (GRO/h) ab (Tabelle 2). Die Douglasie schneidet bei diesen Werten überdurchschnittlich gut ab und hat dementsprechend auch den höchsten Jahreszuwachs. Auf dem zweiten Platz folgt die Tanne mit den zweitmeisten GRO Std, gefolgt von der Eiche und der Buche. Generell haben Nadelbäume höhere Wachstumsraten als Laubbäume – mit der Fichte als Spitzenreiterin. Allerdings wächst die Fichte an relativ wenigen Stunden pro Jahr (Tendenz abnehmend, unveröffentlichte Daten), was zu einem unterdurchschnittlichen GRO führt. Den geringsten GRO hat die Flaumeiche, gefolgt von Hainbuche und Waldföhre. Die letzten beiden haben sowohl geringe Wachstumsraten als auch eine geringe Anzahl an Wachstumsstunden pro Jahr.

Die Föhre wächst typischerweise an sehr trockenen Standorten und leidet dementsprechend auch am meisten unter Trockenstress. Der langjährig gemittelte Trockenstressindikator (TWD_norm) kommt dabei nahe an den Schwellenwert 1 heran, was auf häufigen Trockenstress, deutlich verringerte Transpiration und eingeschränkte Photosynthese hindeutet. Die Fichte hat die grösste Wasserspeicherkapazität (MDS), die Buche die tiefste. MDS ist aber, wie oben ausgeführt, kein Merkmal für eine gute Trockenstresstoleranz. Baumarten mit grosser MDS haben generell eine dickere, lebende Rinde mit hoher Elastizität, können dadurch mehr Wasser von den Wurzeln über den Stamm bis zu Ästen speichern und für den täglichen Transpirationsbedarf nutzen. Dabei deckt die Menge Wasser aus den internen Speichern aber nur einen sehr geringen Teil des täglichen Wasserbedarfs ab (Steppe et al 2006). Die internen Wasserspeicher sind somit nicht entscheidend für die absolut transpirierten Wassermengen, spielen aber eine wesentliche Rolle bei der Pufferung von Transpirationsspitzen. Dadurch können gefährlich tiefe Wasserpotenzialspitzen gemindert und so dem Abreissen der feinen Wasserfäden im Xylem durch Embolien vorgebeugt werden.

Für die richtige Interpretation der hier gezeigten Resultate ist wichtig festzuhalten, dass artspezifische Eigenschaften und Standortfaktoren einen Einfluss auf das Wachstum haben. Unsere Resultate bilden deshalb nicht nur allgemeingültige Eigenschaften einer Art ab, sondern sind auch standortsabhängig und damit ein Blick auf die Schweizer Waldbäume durch die TreeNet-Brille. Generell gilt, dass die Wüchsigkeit einer Art für jeden Standort separat betrachtet werden muss, um eine standortspezifische Eignung einer Art zu beurteilen. Besonders die für das Jahreswachstum so wichtige Variable GRO Std dürfte sehr stark durch die lokalen Standorteigenschaften (z.B. Bodenqualität, Wasser- und Lichtverfügbarkeit) und die um dieselben Ressourcen konkurrierenden Arten am selben Standort bestimmt sein – und nicht nur durch artspezifische Eigenschaften. Trotzdem sind solche gemittelten Eigenschaften ein wichtiger Hinweis darauf, welches Wachstumspotenzial einzelne Arten an bestimmten Standorten haben (Abbildung 3).

Regionale Unterschiede

Die Wüchsigkeit und der mittlere Trockenstress der TreeNet-Standorte ergibt sich aus dem Wachstum aller Einzelbäume an einem Standort relativ zu allen anderen Artgenossen über das ganze Netzwerk (Abbildung 4).

Wie erwartet zeigen Bäume im Wallis, eines der trockensten Gebiete der Schweiz, die höchsten Trockenstresswerte. Aber auch einige Standorte in der Nordschweiz zeigen einen hohen Trockenstressindex (Abbildung 4). Standorte mit dem geringsten Trockenstress finden sich im Mittelland. Die erhöhten Werte an den subalpinen Standorten (Gebiet Davos, Engadin und Beatenberg) dürften eher auf atmosphärische als auf bodenbedingte Trockenheit zurückzuführen sein. Auch spielen dort die tieferen Temperaturen während der Vegetationszeit eine Rolle, da diese ebenfalls zu einem Schrumpfen der Baumstämme führen können – vor allem, wenn der Baum kurzfristig in eine Winter- bzw. Frostvorbereitungsphase fällt (Zweifel & Häsler 2000). Unter welchen Bedingungen an einem Standort Trockenstress oder gute Wachstumsbedingungen vorherrschen, hängt nicht nur von den Umweltbedingungen in der Atmosphäre und im Boden ab, sondern auch von den vorkommenden Baumarten. Das heisst: Ein Standort im Mittelland, der in Abbildung 4 für Buche und Fichte als schlecht wüchsig gekennzeichnet ist, könnte für die Eiche durchaus gut geeignet sein.

Der Trockenstressindikator (TWD_norm) hängt neben der artspezifischen Wasserspeicherkapazität (MDS) von zwei Umweltvariablen ab, die für alle Baumarten an einem Standort ähnlich sind: der Trockenheit in der Atmosphäre und im Boden. Allerdings können Baumarten mit unterschiedlich dichtem und tiefem Wurzelwerk den Boden unterschiedlich stark austrocknen (Walthert et al 2024). Eiche und Buche beispielsweise entnehmen dem Boden viel mehr Wasser als die Fichte. Das sehr heterogene Bild von (langjährig gemitteltem) Trockenstress (z.B. im Mittelland) zeigt anschaulich das kleinräumige Auftreten von Trockenheit. Exponierte Standorte innerhalb eines Waldes (z.B. Südexposition, lokal schlechtere Bodenbedingungen) können sich stark von nahegelegenen Standorten mit besseren Wachstumsbedingungen unterscheiden. Zudem ist es essenziell, Wachstum und Wasseraufnahme einzelner Baumarten separat für einzelne Standorte zu evaluieren. Ein Vergleich der Wüchsigkeit der Fichte über die ganze Schweiz macht deutlich, dass es im Mittelland durchaus noch Standorte gibt, die der Fichte gute Wachstumsbedingungen bieten (Abbildung 4). Allerdings wird die Fichte mit zunehmendem Alter auch anfälliger für Schädlinge wie Borkenkäfer, was nahelegt, dass die Umtriebszeit verkürzt werden sollte, um das Risiko eines Befalls zu verringern.

Schlussfolgerungen

Unsere Resultate zeigen eine physiologische Charakterisierung von Schweizer Waldbäumen aus der TreeNet-Perspektive, die Rückschlüsse auf das artspezifische Wachstumspotenzial und die Trockenstresstoleranz der Schweizer Baumarten erlauben. Die untersuchten neun Baumarten zeigen ein breites Spektrum an Eigenschaften und Wachstumsreaktionen. Hohe Wachstumsraten führen nur dann zu hohem Jahreszuwachs, wenn die Umgebungsbedingungen genügend Wachstumsstunden erlauben. Trockenheit, tiefe Temperaturen oder Konkurrenz um Ressourcen wie Licht und Wasser limitieren die Anzahl der Wachstumsstunden pro Jahr stark. Die Nadelhölzer etwa haben generell höhere Wachstumsraten als die Laubhölzer, aber nicht generell höhere Jahresproduktionen.

Die Wasserspeicherkapazität des Stammes und das Baumwasserdefizit sind aufschlussreiche artspezifische Eigenschaften, die wichtig sind, um sowohl die Intensität von Trockenstress an einem spezifischen Standort als auch die Vitalität eines Baumes zu analysieren. Darauf aufbauend versuchen wir nun in weiteren Schritten besser zu verstehen, was mit unseren Waldbäumen in einem sich verändernden Klima passiert.

Eingereicht: 11. August 2024, akzeptiert (mit Review): 11. Oktober 2024

Literatur

  • Etzold S, Sterck F, Bose AK, Braun S, Buchmann N et al (2022)

    Number of growth days and not length of the growth period determines radial stem growth of temperate trees. Ecol Lett 25: 427–439.https://doi.org/10.1111/ele.13933

  • Lockhart JA (1965)

    An analysis of irreversible plant cell elongation. J Theor Biol 8: 264–275.

  • Peters RL, Steppe K, Pappas C, Zweifel R, Babst F et al (2023)

    Daytime stomatal regulation in mature temperate trees prioritizes stem rehydration at night. New Phytol 239: 533–546.https://doi.org/10.1111/nph.18964

  • Walthert L, Etzold S, Carminati A, Saurer M, Köchli R, Zweifel R (2024)

    Coordination between degree of isohydricity and depth of root water uptake in temperate tree species. Sci Total Environ 946: 174346.https://doi.org/10.1016/j.scitotenv.2024.174346

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